Patrik gegen Goliath
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Das erfolgreiche Spiel einer kleinen Marke im Spiel der Grossen. Patrik Diethelm hat mit seiner kleinen Marke etwas schier unmögliches geschafft. Er besteht seit fünf Jahren in einem hart umkämpften Markt. Der Schweizer Shaper im WINDSURFERS-Portrait.
Schwarz und Weiss, jung und doch schon ewig dabei, klein aber im Kreise der Großen: Keine Marke verbindet so viele Gegensätze wie PATRIK. Die junge Board-Marke hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und ist auch im Wettkampfzirkus längst kein No-Name mehr. Founder, Owner, Shaper und Namensgeber Patrik Diethelm zog gegenüber WINDSURFERS ein erstes Fazit und erklärt, wie man sich als Underdog in der Branche erfolgreich etabliert.
Mal ehrlich, habt ihr das Gefühl, PATRIK Boards gibt es erst seit fünf Jahren? Richtig, wir auch nicht! Nicht nur durch den Namen werden die markanten Bretter des Schweizers spätestens seit Anfang der 2000er wahrgenommen. Die unauffälligen Designs, die doch sofort ins Auge stechen, lassen die verhältnismäßig kleine und junge Marke in überraschender Geschwindigkeit in den Kreis der etablierten Board-Hersteller aufsteigen – nicht zuletzt ein Verdienst von Patrik Diethelm selbst, dem es vor sechs Jahren gelang aus einer verzwickten Situation mit noch mehr Power hervorzukommen und bis da emporzuklettern, wo er heute steht. Im Gespräch mit WINDSURFERS berichtet der 42-Jährige von seiner Vergangenheit, der Gründung von PATRIK und dem Überlebenskampf in der Windsurf-Branche.
Viele verbinden mit dem Schweizer Board-Designer Patrik Diethelm noch immer die erfolgreichen F2-Jahre. Boards wie der Rebel, Guerilla oder Chilli sind selbst heutzutage noch an vielen Spots zu sichten und haben Kultstatus erreicht. Von 2003 bis 2009 leitete der Slalom-Profi die Geschicke bezüglich Shape und Design bei dem ehemaligen Funsport-Giganten. Trotz der Beliebtheit seiner Windsurfbretter kam es vor knapp sechs Jahren zum Bruch. Patrik fasst eine lange Geschichte kurz zusammen: «Der neue Besitzer hatte damals leider andere Pläne oder wohl besser gesagt gar kein Plan! Aus Kostengründen und weil ich eben meine Meinung sage, wurde ich dann rausgeschubst. Danach hat mein damaliger Assistent Daniel Aeberli kurz übernommen, aber auch das hat nicht geklappt und heute weiss ich schon gar nicht mehr was da geht. Aber wenn man nichts hört und sieht, scheint es nicht viel besser zu laufen.»
Nicht gerade mit glühendem Herzen blickt Patrik Diethelm auf die trotzdem schöne und erfolgreiche Zeit bei seinem ehemaligen Arbeitgeber zurück. Ein gewisser Frust, wie damals alles zu Ende ging, ist rauszuhören – und das vollkommen zu Recht. Der Shaper, der vorher als Eletkromechaniker Karriere machte, stand 2009 abrupt vor einer wichtigen Entscheidung, die sein Leben bis heute beeinflusst. «Die Wahl war entweder zum alten Beruf zurückzukehren oder weiter das zu machen, was wir am besten können. Da meine Freundin Karin Jaggi und ich das ganze Wissen und Können schon besaßen und dazu eine solide Vergangenheit hatten, war die Entscheidung schnell getroffen.» Mit Karin, der Mutter seines Sohnes, traute sich Patrik einen Schritt ins Ungewisse zu. Er entschied sich für einen Beruf aus Leidenschaft, statt dem sicheren Einkommen zu folgen. Die Misere der vergangenen F2-Jahre hat jedoch auch ein paar Vorteile für den Jung-Unternehmer. So konnte Patrik zum Beispiel eine Menge Shapes, die bei F2 aus «Kostengründen nicht für die Produktion verwendet wurden» als Idee für das neue Unternehmen mitnehmen.
Der Windsurfcrack, der sich durch seine beliebten Bretter in der Szene schnell einen Namen gemacht hat, musste nichtsdestotrotz fast wieder bei Null anfangen. Ein erfolgreiches Unternehmen stellt man nicht über Nacht auf die Beine. Namensfindung, rechtliche und vertragliche Details, Standort, Produktionsort, Logo, Philosophie der Marke und vieles mehr mussten in relativ kurzer Zeit organisiert und abgehakt werden. Als Firmenname entschied sich der ’Wahl-Australier’ für seinen eigenen. Was auf den ersten Blick einfallslos oder langweilig wirken mag, ist in Wirklichkeit ein schlauer Schachzug von Patrik. «Bei einer Namensfindung geht es immer um Rechte, Bekanntheitsgrad, Marketingziele und weiteres. Da war eben mein Name der einfachste Weg.» Durch den Firmennamen PATRIK, war gleich jedem Wassersportler klar, wer hinter dem neugegründeten Unternehmen steckt. Da viele Windsurfer die Produkte des Anfang 40-Jährigen vergöttern, wurde das Start-Up von Beginn an voll wahrgenommen. Als der Name gefunden war, und sich somit einige Ausrichtungspunkte von alleine klärten, musste noch eine weitere entscheidende Hürde genommen werden, die vielleicht am banalsten und doch am wichtigsten ist: Das Design.Auch hierbei entfaltet PATRIK erst auf den zweiten Blick seine ganze Genialität. Während die einen bei der Ansicht des Designs vor Langweile gähnen und einschlafen, applaudieren die anderen respektvoll vor der Idee des Erfinders. Über Geschmack lässt sich streiten – keine Frage – doch wenn man mal alle Designs der Marktführer begutachtet, wird in gewisser Weise immer mit dem Strom geschwommen. In den 90ern waren häufig einzelne Farben modern, später wurde vermehrt auf Graffitis gesetzt, dann wurde es zeitweise komplett bunt und in den letzten Jahren entwickelt sich der Trend wieder «back to the Rots». Kann man aber auf Anhieb einer Marke im optischen Bereich ein entscheidendes Merkmal zuordnen? Schwierig. Bei Patriks «ödem» Schwarz-Weiß ist dies das unverwechselbare Markenzeichen. «Wie du sagst, kann man mit Grafik und Farben nicht jeden glücklich machen. Deshalb distanzieren wir uns von all dem und machen etwas eigenes, so dass jeder sofort ein PATRIK Brett erkennt.» Mit lediglich vier Händen, denen von Patrik und Karin, wurde die junge Firma errichtet und alle Gründungsschritte zügig erledigt, weshalb die ersten Boards 2010 serienmäßig an den Start gehen konnten. «Grundsätzlich haben Karin und ich alles alleine aufgebaut. Jedoch ohne Importeure, Kontakte und Grafiker geht es natürlich nicht. Auch die Familie und Freunde haben viel dazu beigetragen, dass wir heute da sind, wo wir sind.» Sich selbstständig zu machen ist logischerweise nicht nur mit Vorteilen verbunden. Obwohl, einer schießt Patrik Diethelm sofort in den Kopf: «Ich kann mir die endlos langen Meetings mit diversen Firmenchefs sparen (lacht)!» Neben der vermehrten Arbeit ist vor allen Dingen die Konkurrenz auf dem nicht immer harmonischen Windsurfmarkt ein erheblicher Nachteil. Gerade beim Produktionsstandort Cobra, wo so ziemlich jede Marke herstellen lässt, geht es heiß her. «Ich hatte schon während meinen F2-Zeiten die Entwicklungswerkstätte bei Cobra und der Übergang zu unserer PATRIK-Marke war in den ersten Monaten kein Problem», erzählt PD. «Erst später haben die großen Marken versucht bei Cobra Druck auszuüben und unsere Marke zu stoppen, aber zum Glück ist da schlussendlich nichts passiert.» Es darf zwar immer produziert werden und auch in der Mengenanzahl wird man nicht benachteiligt, jedoch sind «die Preise bei uns sicher um einiges höher, weil wir erstens keine große Abnahmemenge haben und neben den teuren Materialien auch die teuerste Konstruktion verwenden. Unter dem Strich ist unser Produkt ganz sicher das teuerste in der Produktion und trotzdem sind wir billiger als alle anderen Marken, welche nicht mal die gleich gute Qualität offerieren.» Würde der Shaper seine Bretter mit dem Maßstab der anderen Firmen vergleichen, müsse er 2600 bis 2800 Euro pro Board verlangen. «Wir sind da eben ehrlich und locken den Kunden nicht mit enormen Rabatten an und verkaufen auch nicht über Discountketten. Wir stehen auf Ehrlichkeit und Kundenzufriedenheit, machen keine erfundenen Preise und arbeiten nur mit ein paar ausgewählten Shops zusammen», ergänzt der Schweizer. Zur Geburt der Marke gehörte logischerweise auch der Aufbau eines wettbewerbsfähigen Teams, das PATRIK auf nationaler und internationaler Bühne vertritt und gerade der breiten Masse zeigt, wie auf diesen neuen Boards gerockt werden kann. Doch wie schafft man es als Neuling, trotz ungemütlichem Konkurrenzkampf der vielen Board- und Segelhersteller, gute und talentierte Pros für sich zu gewinnen? «Heutzutage dreht sich das Fahrer-Karussell sehr schnell und mehr oder weniger alle Fahrer fragen überall mal an. Da geht es meistens nur um den Deal», verrät Patrik. Der finanzielle Aspekt ist wie bei so ziemlich jeder Sportart inzwischen der entscheidende, der das Athleten-Herz für ein bestimmtes Label schlagen lässt - zumindest so lange, bis ein anderer mit einem noch besseren Angebot daherkommt. Ein vielleicht fader Beigeschmack für alle Romantiker und Traditionalisten, jedoch unvermeidbare Realität, wenn man von dem Sport leben möchte. Vergangene Saison konnte der ehemalige Skifahrer einen unglaublichen Kracher als Neuzugang präsentieren. Mit Ricardo Campello wurde einer der beliebtesten und radikalsten Fahrer unseres Planeten verpflichtet. Ein echtes Aushängeschild und gleich zwei bis drei Schritte nach vorn für Patrik, Karin und ihre Marke. «Damals, zu dem Zeitpunkt, waren unsere Teamverträge schon alle fix, aber trotzdem hat sich eine andere Marke unseren besten Wave-Fahrer geschnappt. Das war natürlich unschön, jedoch wird man als kleine Marke eben immer veräppelt. So haben wir stattdessen Ricardo genommen, der uns zwar einiges mehr kostet aber dafür auch viel mehr bringt», freut sich der Gründer. Neben Waveriding hat sich PATRIK gerade in der Disziplin Slalom im Worldcup einen Namen gemacht. Nicht zuletzt liegt das an Patriks Affinität zum Rennsport. Der Halbitaliener, der in seiner Jugend bei Skirennen eine außerordentlich gute Figur machte, vermisste dieses Wettkampfgefühl nach seinem Karriereende. „Auch wenn nichts über Wellen geht, brauche ich doch immer diese Kopf-an-Kopf-Challenge, die nur beim Slalom gegeben ist“, resümiert Patrik. Großen Respekt und Anerkennung bekam der zweifache Speed-Vizeweltmeister vor allen Dingen dadurch, dass er in seiner F2-Zeit extreme Erfolge auf seinen eigenen Boards einfahren konnte und durch die Wettbewerbsteilnahme direkt mit den Top-Fahrern in Kontakt trat und sich austauschen konnte.
Der enge Draht zu den Profis und allen Windsurfbegeisterten ist einer der entscheidenden Punkte in der Auslegung der Firma und steht abermals für einen ungewohnten Aspekt, da hierbei eine PWA-Marke etwas Familiäres ausstrahlt. Patrik: «Bei unserem Slogan ’Dedication & Performance’ steht ’Hingabe’ vor ’Leistung’. Unser Antrieb ist, dass wir unsere Marke leben und die Leistung ist die Folge aus unserem Surf-Fanatismus. Der Kunde steht bei uns im Vordergrund und klar will er nicht nur ein gutes Produkt, sondern auch einen guten Service. Sicher sind wir in diesem Business an oberster Stelle, wenn es um direkten Kundenservice, Garantie Austausch, Hilfe und Fragen geht.» Man merkt, dass der Speedrekord-Jäger 2009 die absolut richtige Entscheidung getroffen hat und den Beruf ausübt, der ihn glücklich macht. Das Geld ist dabei nebensächlich für den Familienvater. «Als Zwei-Mann-Firma können wir schon davon leben aber Angestellte und weiteres können wir uns nicht leisten. Auch ein Luxus-Leben liegt nicht drin, aber was wollen wir noch mehr als alle Wasser-Spielzeuge zu besitzen und an den besten Orten der Welt Spass haben zu können - da brauchen wir keinen Porsche und so oder so kommt man mit dem schon gar nicht an die geheimen Spots Australiens!» (lacht) Seinen eigenen Weg geht Patrik auch, wenn es um neue Trends bezüglich Finnen-Systeme geht. Seit inzwischen knapp fünf Jahren sind Quads unter den Waveboards eigentlich der Renner. Für den 1972 geborenen Tüftler sind jedoch nicht die Meinungen der Anderen, sondern vor allen Dingen seine eigene wichtig. «Quad hat einen sehr begrenzten Einsatzbereich und unser Trailer Wave mit 3x US-Finnenkästen hat unglaublich viele Einstellmöglichkeiten und einen enormen Einsatzrahmen, deswegen haben wir bisher auf Quads verzichtet. Im letzten Jahr habe ich jedoch viele für Ricardo gemacht und eventuell bringen wir in diese Richtung auch etwas raus», verrät der Boardentwickler. Patrik Diethelm ist neben seinem Beruf als Shaper auch immer noch mit voller Hingabe an seinen sportlichen Zielen dran. Neben dem Slalom – wo er zum Beispiel erst kürzlich beim Lancelin Ocean Classic Zweiter wurde – knabbert er auch immer noch an der Speedrekord-Jagd. Unter anderem in Lüderitz gehört der Unternehmer nach wie vor zu einem der Namen, den die Einstellung des aktuellen Rekords am ehesten zuzutrauen ist. «Sportlich bin ich sicher ein bisschen älter geworden und der Nachwuchs beansprucht auch ein bisschen mehr ’Sportzeit’. Aber sonst bin ich immer noch voll dran. Vor allem mit der Speedrekord-Jagd möchte ich noch länger nicht aufgeben», steuert Patrik bei. Patrik Diethelm ist beruflich und privat voll auf Kurs, was sicherlich auch ein entscheidender Grund für seinen schnellen Aufstieg in den Marken-Olymp ist. Wo er sein «Baby» beim nächsten Jubiläum sehen möchte? «Die Ziele sind gesetzt, aber grundsätzlich sind wir heute schon zufrieden mit dem was wir haben.» Typisch Patrik.
Interview aus windsurfers.de
Text: Fritz Lüders
Fotos: Benno Cremer, John Carter
Kunde
2009 gründeten Patrik Diethelm (ehemals F2) und Karin Jaggi (mehrfache Weltmeisterin im Windsurfen) die Marke Patrik Boards. Patrik Boards entwickelt hochwertige Windsurf-Boards in einem einheitlichen und in sich variablen Design.